... wenn man zwar begeisterungsfähig, aber ahnungslos ist.
Ich habe meinen TL10 im Juni 2020 gekauft. Schön sah er aus mit seinem fast neuen Lack, genau das, was ich gesucht hatte, klein, handlich, simpel im Aufbau. Und natürlich ein 1-Pötter. Auf der kurzen Probefahrt, die ich beim Verkäufer machen durfte, ist mir auch nichts aufgefallen. Wie auch - siehe oben.
Ich bin dann letztes Jahr ein paar kleine Touren im Umkreis gefahren, so ca. 200 km insgesamt. Traktor- bzw. Oldtimertreffen konnten ja leider wegen Corona nicht stattfinden. Die Geräuschkulisse war von Anfang an etwas furchteinflößend (für einen Neuling), aber der Kleine fuhr ja. Etwas inkontinent war er, sogar gleich an mehreren Stellen, und die Gänge knarzten jedes Mal beim Einlegen. Ein vernünftiger Gangwechsel war praktisch nicht möglich, weil der Trecker immer sehr schnell stand, wenn ich im 3. Gang die Kupplung getreten habe. Also bin ich ersatzweise immer gleich im, 4. angefahren (ja ich weiss, die arme Kupplung).
Dieses Jahr musste er nun zum TÜV und ich habe ihn zu diesem Zweck bei einer befreundeten Landmaschinenwerkstatt abgegeben. Die Jungs haben hobbymäßig jahrelange Erfahrung mit Oldtimertraktoren und sollten neben Ölwechsel auch gleich die Bremsbeläge und die Vorderreifen wechseln, die Kleckereien abstellen sowie die Kupplung "einstellen".
Der TL10 stand dann insgesamt 3 Monate in der Werkstatt. Heute habe ich ihn wieder abgeholt. Rechnung knapp über 2.000 Euro - Freundschaftspreis. Wenn ich nach Stunden hätte bezahlen müssen, wäre ich pleite...
Was war passiert? Nun, ganz einfach, der Verkäufer hat mich über's Ohr gehauen (und ich habe mich blauäugig übers Ohr hauen lassen), denn es waren bereits beim Kauf diverse Teile kaputt und der Trecker technisch insgesamt in einem mäßigem Zustand. Bestellung bzw. Nachlieferung der benötigten Teile haben viel Zeit in Anspruch genommen. Teilweise mussten Ersatzlösungen selbst hergestellt werden, weil Teile gar nicht mehr zu bekommen waren. Daher auch die lange Standzeit.
Krönung war die Kupplung. Da war rein gar nichts mehr einzustellen, das Ding war vollkommen fratze inkl. Nadellager, von dem nur noch Rudimente vorhanden waren. Die Schrauber haben sich gewundert, dass der Trecker damit überhaupt noch 200 km gefahren ist... Ich habe das Desaster live gesehen. Wenigstens gab es diese Ersatzteile noch.
Immerhin waren bzw. sind Motor und Getriebe gesund, aber auch das Drumherum kostet eben nen Haufen Geld.
Nun ja, wenn man die Sache betriebswirtschaftlich betrachtet, sollte man wohl eh keinen Oldtimer kaufen. Da es aber Hobby ist, hab ich das Treckerchen nun wieder lieb. Besonders schön ist, dass die Gänge jetzt reingehen wie Butter und ich mit Zwischengas schalten kann. Ich hatte schon gedacht, ich wäre zu blöd dazu...
Mein persönliches Fazit:
* Nicht vom schönen Schein blenden lassen, auch nicht bei dringendem "Haben-wollen-Impuls".
* Es reicht nicht, ein paar Artikel im Internet und ein paar Handbücher zu lesen, man sollte beim Kauf eines solchen Fahrzeugs auch wenigstens Grundkenntnisse in Auto- bzw. Landmaschinenmechanik und diese idealerweise auch schon praktisch angewandt haben - oder man hat halt ersatzweise eine dicke Brieftasche
* Trotz allem, Treckerfahren macht Spaß und entschleunigt ungemein.
VG
Hajo
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